Erfahrungsbericht - AKTUALISIEREN
Von Isabelle
Hi, ich bin Isabelle, trage eine myoelektrische Oberarmprothese und bin seit 2020 stolze Besitzerin meiner VINCENTevolution3.
Ich muss schon sagen, als ich das allererste Mal alleine mit der Hand im Alltag dastand, war ich dezent überfordert. Die Steuerung der Hand erfordert Umdenken: Kein intuitives Zugreifen mehr, sondern aktive Anspannung meiner Bizeps- und Trizeps-Muskelsignale. Das ist für den Ungeübten anstrengend, sowohl für die Muskeln als auch fürs Gehirn. 16 verschiedene Griffe können mit diesen zwei Muskelsignalen anhand eines Griffschemas angesteuert werden. Da stand ich also und versuchte mir auszumalen, welcher Griff am ehesten dazu geeignet war, diese Teebeutel-Verpackung zu öffnen. Anschließend strengte ich krampfhaft meine grauen Zellen an, um mir das Griffschema in Erinnerung zu rufen, damit ich weiß, in welcher Kombination ich meine Muskeln anspannen muss, um in diesen Griff zu gelangen. Und dann erst konnte ich die Aktion starten.
Anfangs musste ich in Kauf nehmen, dass Alltagsaktivitäten deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen, als wenn ich sie einfach mit einer Hand erledigen würde. Ich musste Geduld, Willensstärke und Nachsichtigkeit mir selbst gegenüber zeigen und stets hochkonzentriert und vorsichtig die Steuerung der Prothese etablieren. Doch ich wollte unbedingt, dass diese coole Hand mit all ihren Funktionen ein Teil von mir wird. So habe ich konsequent und überall im Alltag mit ihr geübt, wo es möglich war.
Übung macht den Meister und das Gehirn ist durchaus in der Lage, umzulernen. Durch meinen Einsatz habe ich schnell Fortschritte gemerkt: Die Steuerung funktioniert schneller und flüssiger, Erfolgserlebnisse nehmen zu, ich werde geschickter im Umgang mit der Prothese. Tassen zerschellen nicht mehr auf dem Boden, Flaschen werden nicht mehr mit voller Kraft zusammengedrückt und ich muss nicht mehr zusätzliche Zeit für Alltagsaktivitäten einplanen. Die Ansteuerung der Griffe funktioniert automatisch, das Griffschema hat sich eingeprägt.
Mittlerweile ist die Prothese ein Teil von mir geworden, den ich nicht mehr missen möchte. Nun wäre ich aufgeschmissen, wenn ich das Leben nur noch mit einem Arm beschreiten würde. In so vielen Alltagssituationen hilft mir die Prothese: Beim Schuhe Zubinden, beim Verpackungen Öffnen oder aber beim Öffnen meiner Wohnungstür, diese muss man nämlich mit einer Hand heranziehen, während man den Schlüssel im Schloss dreht. Ich habe die Vincent-Hand mit all ihren Vorteilen zu schätzen gelernt. Präzision und Feinmotorik der Hand sind unglaublich, mit dem Pinzettengriff kann ich sogar die kleinen Laschen von Joghurtbechern greifen und aufreißen. Anhand von Vibrationsfeedback beim Zugreifen konnte ich außerdem mit der Zeit eine Art Tastsinn etablieren. Ich kann mittlerweile genau einschätzen, wie fest ich mit der Hand zugreife und wann die aufgewendete Kraft ausreichend ist und wann nicht. Die Prothese hat mir Selbstständigkeit, Akzeptanz, Normalität im Alltag und ein Gefühl von Vollständigkeit gegeben. Sie ist mir kein Fremdkörper mehr, die Prothese ist jetzt mein Arm.